#46: Tod und Leben durch Wasser

#46 Tod und Leben durch Wasser

Wasserhaushalt und Osmose

Wie Meerwasser und destilliertes Wasser tödlich sein kann

Hi, Willkommen bei Wunderwelt Körper!

Wassertrinken ist wichtig. Aber warum eigentlich?

Das klare Wasser, welches wir trinken und der der gelbe Urin der uns verlässt, haben eine sehr ähnliche Zusammensetzung. Urin besteht zu 95% aus Wasser. Die restlichen 5 % verursachen den Geruch, die Farbe und wenn einem danach ist – auch den Geschmack. 1 Wenn wir das Wasser eh wieder auspinkeln, warum dann überhaupt die Mühe machen es zu uns zu nehmen?

 

Schauen wir uns mal an, wo wir Wasser in unseren Körpern überall finden:

Der Großteil ist in unseren Zellen. Unser Körper besteht ja aus einer Unmengen von Zellen, die verschiedenste Aufgaben haben. Zum Beispiel Leberzellen, Hautzellen, Muskelzellen und natürlich auch unsere Fettzellen. In diesen Zellen schwimmen diverse Zellorganellen rum. Also die Miniorgane einer jeden Zelle. Und zum rumschwimmen braucht man – klarerweise – eine Flüssigkeit. Nun klebt nicht eine Zelle an der anderen, sondern auch diese Zellen dürfen in einer Flüssigkeit rumschwimmen.
Nerdtipp: Die Flüssigkeit in den Zellen heißt INTRAzellulärraum, die zwischen den Zellen: INTERzellulärraum.

Neben diesen zwei Bereichen gibt es klarerweise noch andere Bereiche. Wir Menschen weinen, schwitzen, erbrechen und achja – haben einige Liter Blut in uns!

Spannenderweise macht die sichtbare Flüssigkeit – also Blutplasma, flüssiger Magendarminhalt und Drüseninhalte den geringsten Anteil aus. 2

 

Muskeln haben mehr Wasser, als Fett. Von Natur aus haben die meisten Frauen einen höheren Fettanteil als Männer und damit auch weniger Wasser in sich. Mit höherem Lebensalter baut sich Muskelmasse in der Regel ab und auch damit schrumpft der Wasseranteil. 2,3

 

Jetzt haben wir noch immer nicht gehört, warum wir täglich so viel Wasser trinken sollen, wenn es uns eh wieder verlässt. Wasser ermöglicht uns nicht nur ein g‘schmackiges Bier, bunten Obstsaft und wärmenden Tee, sondern ist ein unverzichtbares Lösungs- und Kühlmittel, Wärmepuffer und Transportmedium. 2

Alle Körperbestandteile werden laufend erneuert. Da gehört schlichtweg auch Wasser dazu.

So, in Bier ist das Wasser das Lösungsmittel von Hopfen, Malz und einem gehobenen Rausch. Im Körper ist Wasser das Lösungs – und Transportmittel von sogenannten Elektrolyten. In dieser Episode hört ihr vor allem zwei Fremdwörter: Elektrolyte ist eins davon. Elektrolyte ist einfach nur ein Sammelbegriff für ein paar wichtige Atome. Diese Atome sind elektrisch geladen und schwimmen in unserem Körper herum. Das mag etwas abstrakt klingen, aber Jeder ist schon mal mit mindestens einem dieser Ionen in Berührung gekommen. Im wahrsten Sinne. Wenn man schwitzt, ist dieser – ich nenne es mal Ausstoß – nicht nur Wasser, sondern es schmeckt auch salzig. Deswegen liebt mein Hund schön durchgeschwitzte Füße. Diese Käsefüße schmecken nicht zufällig salzig. Sie sind schlichtweg salzig. Wenn du nächstes Mal am Frühstückstisch dein gekochtes Ei salzen möchtest, sagst du nicht: „Könntest du mir das Salz reichen?“, sondern „Könntest du mir das Natriumchlorid reichen?“. Da macht man sich besonders bei den Morgenmuffel beliebt.

Unser Haushaltssalz ist nichts anderes, als eine Verbindung von zwei Atomen: Natrium und Chlor. Gemeinsam Natriumchlorid. 4,5

Verschwitzte Füße sind also nicht nur ein willkommener Snack für meinen Hund, sondern hat auch viele andere Funktionen.

Diese Elektrolyte sind für eine Vielzahl an Mechanismen essentiell und werden jede Sekunde zwischen und in Zellen hin und hergeschoben.

Wo wir das ganz stark merken und manchmal auch schmecken, ist beim Blutdruck. Bei hohem Blutdruck empfiehlt ärztliches Personal salzarmes Essen.

Um das zu verstehen, kommen wir zu einem weiteren und unglaublich wichtigen Wort: die Osmose! Ding Ding, hier ist der zweiter Fremdbegriff! Osmose klingt wie ein Zauberspruch aus Harry Potter und ist für uns Muggles mindestens so wichtig, wie die Zaubersprüche für Harry.

 

Die Osmolarität ist die Konzentration aller gelösten Stoffe in einer Lösung. 6,5 Manche Stoffe, wie unser Natrium im Salz, sind osmotisch aktiv.

Das heißt nichts anderes, als dass sie die Gabe haben, Wasser an sich zu ziehen.

Wie zwei Schwimmbecken, welche durch eine Grenze getrennt sind. Diese Grenze wird nur durch den osmotischen Bademeister betreten. Es gilt die Regel, dass in beiden Schwimmbecken die gleiche Konzentration an schwimmenden Kindern sein muss. Nun hüpfen je fünf Natriumkinder mit knallgelben Schwimmreifen in beide Schwimmbecken.

Die Konzentration an Natriumkindern in beiden Becken ist gleich. Wenn jetzt aber plötzlich drei weitere Natriumkindern in das linke Becken hüpfen, haben wir eine höhere Kinderkonzentration auf der linken Seite. Aus diesem Grund nimmt der osmotische Bademeister seinen Eimer zur Hand und schüttet Wasser aus dem rechten in das linke kinderreichere Becken, damit wieder die gleiche Kinderkonzentration herrscht. Nun schwimmen zwar mehr Kinder im linken Becken, aber beide Becken haben die gleiche Kinderkonzentration. Also Kinder pro Wassereinheit.

Je nachdem wie viele Kinder in welchem Becken schwimmen, schüttet der osmotische Bademeister Wasser in das linke oder rechte Becken.

 

Was haben nun schwimmende Kinder mit ihren knallgelben Schwimmreifen damit zu tun, dass ich mein Ei nur mehr wenig salzen darf, wenn ich zu hohen Blutdruck habe? 4 Die folgende Theorie ist übrigens umstritten. 7

Der Theorie nach schwimmen bei salzreicher Ernährung viele Natriumkinder AUSSERHALB (extrazellulärer Flüssigkeit) der Zellen, zum Beispiel in den Blutgefäßen. Damit die Natriumkonzentration in ihrem Gleichgewicht bleibt, überträgt der osmotische Bademeister Flüssigkeit aus den Zellen in die Blutgefäße. Wenn sich nun mehr Flüssigkeit in den Blutgefäßen befindet, steigt damit auch der Druck.7 Ähnlich, wenn man Wasser in einen Luftballon füllt. Mit steigender Flüssigkeit steigt auch der Druck innerhalb des Ballons – bis er irgendwann platzt.

 

Nach dem gleichen Prinzip verdurstet man, wenn man zu viel Meerwasser trinkt.

Meerwasser enthält eine höhere Natriumkonzentration, als in unserem Körper herrscht. Gelangt zu viel Salz in den Körper, schreitet der osmotische Bademeister zu Werk und schöpft viel zu viel Wasser aus den Zellen raus in den extrazellulären Bereich, also außerhalb der Zellen. Gelinde gesagt ist das ungesund. Wir benötigen den Großteil unseres Wasser IN den Zellen. Wenn das nicht gegeben sind, sind unsere Körper sehr empfindlich und führt über kurz oder lang zum Tod. 8,9

In einem Selbstversuch eines deutschen Arztes den Atlantik ohne Trinkwasser zu überqueren, beschreibt er seine Körperreaktionen. Das Meerwasser führte zu unerträglichem Durst sind auch seine Gliedmaßen schwollen stark an. 9 Weil eben der osmotische Bademeister viel Flüssigkeit aus den Zellen in die Umgebung geschöpft hat.

 

Gott sei Dank haben wir körpereigene Regler eingebaut, die uns bis auf Ausnahmen von so einer Tat abhalten. Sensoren in unserem Magen-Darm-Trakt, Blutgefäßen und Geschmacksknospen schreien auf und schicken dem Hirn eine Alarm-Botschaft. 8,10,11

 

Das manche Menschen jede Mahlzeit kräftig nachsalzen hat nicht zwingend mit einem höheren Salzgebrauch zu tun, sondern einfach mit Gewöhnung. 12

 

Wie wichtig eine richtige Salzkonzentration ist, kann man im Labor beobachten, wenn man Zellen züchtet. Habe ich zu viel Salz in der Flüssigkeit in der meine Zellen schwimmen, dringt Wasser aus den Zellen in die Umgebungsflüssigkeit und man findet rosinenartige verschrumpelte Zellen. Gibt man allerdings zu wenig Salz in die Umgebungsflüssigkeit, zieht es das Wasser zu der höheren Salzkonzentration innerhalb der Zellen. Die Zellen schwellen immer mehr an und können sogar platzen. 13

 

Ganz so kann man das nicht direkt in den Menschen übertragen, aber unsere Zellen haben definitiv die wenigste Arbeit, wenn man ihnen die perfekte Elektrolytkonzentration am Tablett präsentiert. Die Verrückten, die nach über 42 km schweißgebadet und mit schmerzenden Muskeln ins Ziel gerannt kommen, kennen dieses magische Flüssigkeit:

Isotonische Getränke 14

Isotonische Getränke haben die gleiche Konzentration an Elektrolyten wie innerhalb unseres Körpers. Trinken wir es, hat unser hauseigener osmotischer Bademeister keine Arbeit mit Wasser hin oder her schütten. Nach 42 gelaufenen Kilometer ist das ein idealer Weg den osmotischen Bademeister und die gesamte Regeneration zu unterstützen. 15

Oftmals enthalten diese auch noch eine ausgeklügelte Mischung an Zucker, um den Körper auch schnellstmöglich mit Energie zu versorgen.

Isotonische Getränke sind zum Beispiel vorgefertigte Getränke die meistens das Wort „Iso“ enthalten.

Wer nicht im absoluten Leistungssport zu Hause ist und keine perfekt gemischte Lösung braucht, kann sich auch über ein Bier, oder verdünnten Fruchtsaft (1:3) erfreuen. Das Bier bitte alkoholfrei, da Alkohol dazu führt, dass Wasser den Körper verlässt und das wär in dem Fall etwas kontraproduktiv. 15,16

Deswegen helfen isotonische Getränke auch beim Kater, wenn man am Vortag zu tief ins Glas geschaut hat. Alkohol wirkt eben dehydrierend und den Flüssigkeitsvorrat kann man mit unseren isotonischen Stars rascher wieder aufpäppeln.

 

Wegen unserem osmotischen Bademeister kann eine scheinbare harmlose Flüssigkeit ordentlich Schaden anrichten: Reines destilliertes Wasser ohne jeglichen Elektrolyten. Injiziert man reines Wasser in die Venen, kann das ab einer bestimmten Menge den osmotischen Druck und unseren Wasserhaushalt so durcheinander werfen, dass es bis zum Tod führen kann. 17 Strenge Regeln im Krankenhausumfeld sorgen dafür, dass es eben dazu nicht kommt.

 

 

Fun Fact:

Angeblich pinkeln alle Säugetiere ab einem Gewicht von 3 Kg genau 21 Sekunden. Die Zeit sollte man der Blase geben, um sich komplett zu entleeren.13 Das könnt ihr ja bei eurem nächsten Klobesuch beobachten. 😉 Ich finde das schon sehr lang, aber mit fortschreitender Schwangerschaft renne ich auch gefühlt alle dreißig Minuten aufs Klo.

 

Zusammenfassung:

Unser Wasserhaushalt besteht nicht nur aus Trinken, Pinkeln, Schwitzen und Ausatmen. Wasser wird jede Sekunde und ganz unbewusst zwischen unseren Zellen und deren Außenbereich hin- und hergeschoben. In unserem Körper schwimmen elektrisch geladene Atome. Diese Elektrolyte und das Wasser balancieren sich ständig aus. Wenn dieses Gleichgewicht massiv gestört wird, haben wir ein Problem. Zum Beispiel wenn wir zu viel Meerwasser trinken und damit viel zu viele Elektrolyte aufnehmen, oder wenn wir reines Wasser ohne Elektrolyte direkt in die Venen injiziert bekommen.

Umgekehrt können wir diesen sensiblen Wasserhaushalt unterstützen, indem wir isotonische Getränke wie gespritzten Fruchtsaft oder Bier trinken. *Räusper* Alkoholfreies Bier 😉

 

Soda, in dieser Episode wollte ich eigentlich darüber reden was so ein Wassertröpfchen durchmacht. Welche Wege es durchläuft – oder eher durchfließt:

Und ich bin von der Osmose etwas davon getragen worden! Nächstes Mal aber sicher: Was passiert in der Zeit zwischen dem Glas klaren Wasser und gelben Urin, der uns plätschernd verlässt?

An dieser Stelle ein herzliches Shoutout an Hanni! Hanni unterstützt mich seit Kurzem und ist groß daran beteiligt, dass ihr wieder mit regelmäßigen spannenden Episoden rechnen dürft!

Auch hier wieder die Einladung bei meinem Instagram und Facebookprofil mit dem Namen Wunderwelt Körper vorbeizuschauen.

Falls du ein Thema hast bei dem du dich fragst, „wie funktioniert das eigentlich?“, dann schreib mir per Mail: hallo@wunderweltkoerper.com.

Bis zum nächsten Mal bei Wunderwelt Körper!

 

 

 

  1. Visible body. Urinproduktion. visible body Available at: https://www.visiblebody.com/de/learn/urinary/urine-creation. (Accessed: 4th March 2023)
  2. Amboss. Wasser- und Elektrolythaushalt – Wissen @ AMBOSS. (2022). Available at: https://www.amboss.com/de/wissen/Wasser-_und_Elektrolythaushalt/. (Accessed: 22nd January 2023)
  3. TANITA Europe. Understanding your measurements . TANITA Europe Available at: https://tanita.eu/understanding-your-measurements. (Accessed: 4th March 2023)
  4. Horn, F. & Georg Thieme Verlag KG. Biochemie des Menschen Das Lehrbuch für das Medizinstudium.
  5. Lebensmittelverband Deutschland. Tipps für die heißen Tage: Wenn der Körper ins Schwitzen gerät. Lebensmittelverband Deutschland (2021). Available at: https://www.lebensmittelverband.de/de/aktuell/20210715-wenn-der-koerper-ins-schwitzen-geraet. (Accessed: 4th March 2023)
  6. Lewis III, J. L. Wasser- und Natriumgleichgewicht – Endokrine und metabolische Krankheiten . MSD Manual (2020). Available at: https://www.msdmanuals.com/de/profi/endokrine-und-metabolische-krankheiten/flüssigkeitsstoffwechsel/wasser-und-natriumgleichgewicht. (Accessed: 5th March 2023)
  7. Pharmazeutische Zeitung. Richtige Ernährung nimmt den Druck . Pharmazeutische Zeitung (2009). Available at: https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-302009/richtige-ernaehrung-nimmt-den-druck/. (Accessed: 5th March 2023)
  8. Hamilton, J. Brain Science Explains Why You’re Not Thirsty For Salt Water. NPR (2019). Available at: https://www.npr.org/sections/thesalt/2019/03/27/707289059/blech-brain-science-explains-why-youre-not-thirsty-for-salt-water. (Accessed: 12th March 2023)
  9. Kulke, U. Überleben auf dem Meer: Durst löschen mit Salzwasser . DER SPIEGEL (2006). Available at: https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/ueberleben-auf-dem-meer-durst-loeschen-mit-salzwasser-a-399702.html. (Accessed: 12th March 2023)
  10. Lee, S. et al. Chemosensory modulation of neural circuits for sodium appetite. Nat. 568, 93–97 (2019).
  11. Zimmerman, C. A. et al. A gut-to-brain signal of fluid osmolarity controls thirst satiation. Nat. 2019 568, 98–102 (2019).
  12. Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Ausgewählte Fragen und Antworten zu Speisesalz . Deutsche Gesellschaft für Ernährung (2023). Available at: https://www.dge.de/wissenschaft/faqs/salz/. (Accessed: 12th March 2023)
  13. Kühlmann, I. Urin – Eine Entdeckungsreise durch Niere, Blase und Co. Urin – Eine Entdeckungsreise durch Niere, Blase und Co (Springer Berlin Heidelberg, 2020). doi:10.1007/978-3-662-59687-6
  14. Titze, J. Salz- und Wasserhaushalt: Neue Salzspeicher. Nephrologe 4, 488–496 (2009).
  15. DER SPIEGEL. Isotonische und Elektrolyt-Getränke: Was man bei Sport trinken sollte. DER SPIEGEL (2014). Available at: https://www.spiegel.de/gesundheit/ernaehrung/isotonische-und-elektrolyt-getraenke-was-man-bei-sport-trinken-sollte-a-982760.html. (Accessed: 19th March 2023)
  16. AOK. Isotonische Getränke: gesund und einfach selber machen. AOK Gesundheitsmagazin (2022). Available at: https://www.aok.de/pk/magazin/sport/workout/isotonische-getraenke-gesund-und-einfach-selber-machen/#c1590626341. (Accessed: 19th March 2023)
  17. Therapeutic Goods Administration (TGA). Water for injection and haemolysis . Therapeutic Goods Administration (TGA) (2020). Available at: https://www.tga.gov.au/news/safety-updates/water-injection-and-haemolysis. (Accessed: 19th March 2023)

 

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