#51: Unfruchtbarkeit beim Mann
Spezial: CatSper-Dysfunktion
Hi Willkommen bei Wunderwelt Körper!
Angelehnt an die vorherige Episode zur künstlichen Befruchtung gehen wir heute in die Tiefe. Unfruchtbarkeit beim Mann.
In dieser Mini-episode hört ihr von einem Bereich, auf den sich die Universität Münster spezialisiert hat. Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Strünker am Zentrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie unter der Leitung von Dr. Schiffer hat ihren Schwerpunkt auf den sogenannten CatSper-Kanal und extra hierfür einen Labortest entwickelt.
Wenn ein Paar sich ein Kind wünscht, dann ist das nicht immer ganz einfach. Weltweit sind etwa 50 Millionen Paare von Unfruchtbarkeit betroffen [1], in Deutschland ist es etwa jedes 7. Paar [3]. Die Ursache für eine Unfruchtbarkeit kann sowohl beim Mann, als auch bei der Frau liegen, das ist etwa 50/50 aufgeteilt [1].
Wenn ein Mann unfruchtbar ist, dann kann das sehr viele verschiedene Ursachen haben. Grundsätzlich können drei Faktoren die Fruchtbarkeit beeinflussen: die Menge, die Motilität – also die Beweglichkeit und die Morphologie – also die Form der Spermien. Das bedeutet die Anzahl der Spermien kann zu gering sein, weil es zu wenig Ejakulat gibt oder weil es im Ejakulat zu viele tote Spermien oder zu wenig lebende oder sogar gar keine Spermien gibt. Wenn sich die Spermien zu langsam oder nicht zielgerichtet bewegen oder die Spermien keine normale Form haben, kann auch das zu Unfruchtbarkeit führen. Auch eine Kombination von verschiedenen Faktoren kommt vor. Es gibt also leider wirklich viele mögliche Ursachen.
Das alles wird in einem sogenannten Spermiogramm untersucht. Dazu muss eine Samenprobe abgegeben werden die dann im Labor untersucht wird. Zuerst werden Parameter wie Volumen, Konsistenz, Farbe und pH-Wert beurteilt und dann geht es ab unter das Mikroskop. Dort wird die Anzahl der Spermien, deren Geschwindigkeit, Form und Vitalität untersucht. Außerdem wird geprüft welche anderen Zellen außer Spermien sich in der Probe befinden. [2] Mithilfe dieser Untersuchungen sollte man einen guten Überblick über mögliche Ursachen für die Unfruchtbarkeit erhalten. Leider ist es in der Realität so, dass bei etwa 1/3 der unfruchtbaren Männer, das Spermiogramm völlig normal aussieht, aber sie trotzdem unfruchtbar sind [1]. Wenn die Fruchtbarkeitsuntersuchung der Partnerin ebenfalls unauffällig ist, dann weiß in diesem Moment leider keiner woran es liegt, dass es mit der Schwangerschaft nicht klappt. Das kann sehr belastend für die Paare sein. Wenn der Kinderwunsch da ist, dann versuchen die Paare mit verschiedensten Methoden schwanger zu werden. Verständlich, wenn der Wunsch groß ist.
Das Blöde an der ganzen Sache ist: selbst wenn die Ursache beim Mann liegt, muss die Frau sich verschiedenen Behandlungen unterziehen – ziemlich doof für alle Beteiligten und natürlich besonders für die Frauen.
Grob unterscheidet man vier Methoden, wie man Paare unterstützen kann.
Die erste Methode ist die hormonelle Zyklusoptimierung, bei der die Frau Hormone einnimmt und die Chance einer Schwangerschaft bei konventionellem Geschlechtsverkehr steigt.
Eine weitere Methode ist die Intrauterine Insemination. Hierbei nehmen die Frauen in einigen Fällen ebenfalls Hormone ein, der Mann gibt die Spermien ab und werden durch Fachpersonal direkt in die Gebärmutter übertragen. So haben die Spermien einen kürzeren Weg zur Eizelle.
Die dritte Methode ist die In-vitro-Fertilisation bei der zur der Hormontherapie auch ein operativer Eingriff hinzukommt um Eizellen zu entnehmen.
Die entnommenen Eizellen werden anschließend im Labor, und damit außerhalb der Frau, direkt mit den Spermien zusammengebracht. Wenn die Befruchtung erfolgreich war, werden die Embryonen wieder in die Gebärmutter übertragen.
Bei der vierten und letzten Methode geht man noch einen Schritt weiter. Bei der sogenannten ICSI-Methode (intrazytoplasmische Spermieninjektion) wird im Labor ein einzelnes Spermium mit einer ganz feinen Nadel direkt in die Eizelle eingebracht.
Diese ICSI-Methode wird in der Regel erst als letzte Instanz durchgeführt. Davor wird es meist auf den anderen Wegen versucht. Bei den Methoden in der eben genannten Reihenfolge wird den Paaren immer weiter unter die Arme gegriffen.
Das Blöde ist, dass bei rund 1,5% der Männer, die ein unauffälliges Spermiogramm haben, der nötige Turbo fehlt. Ein Spermium legt ja eine doch beträchtliche Reise hin, um eine Eizelle zu befruchten. Wie ein gut trainierter Läufer, teilt es sich seine Energie ein. Sobald der Läufer das Ziel erkennt, sammelt er die letzte Energie, schaltet seinen Turbo ein und sprintet jubelnd und mit hochgeworfenen Armen ins Ziel. Die Spermien haben natürlich weder Augen, um das Ziel zu sehen, noch Arme, die sie jubelnd in die Höhe werfen könnten. Aber sie erkennen, wenn sie in die Nähe der Eizelle kommen. Denn dort schwimmen einige Stoffe rum, die das Spermium mit großer Freude erkennt. Sobald das Spermium das mitbekommt, tritt der sogenannte CatSper-Kanal in den Vordergrund. Das ist ein Kanal an der Oberfläche der Spermien. Dieser Kanal hat eine Aufgabe, sobald er aktiviert ist: Calcium aus der Umgebung einatmen. In der Episode #9 über Muskeln hast du gehört, dass Calcium auch ganz wichtig für die Muskeltätigkeit ist. Und auch hier ist Calcium für eine Bewegung wichtig. Für die Bewegung des Spermiums- Schwänzchen. Das Spermium-Schwänzchen schlägt nun noch intensiver, noch stärker und gibt sein Bestes, um als erstes Spermium in die begehrte Eizelle einzudringen.1,2[3].
Wenn der CatSper-Kanal nicht funktioniert, und das Spermium kein umgebendes Calcium einatmen kann, wird der „finale Turbo“ nicht ausgelöst und das Spermium schafft es nicht bis in die Eizelle.
Da kann die Frau noch so viele Hormone nehmen und voller Eizellen strotzen. Ohne funktionierendem CatSper-Kanal können die Spermien nichts weiter machen, als vor der Eizelle zu campen und ihre Kreise zu ziehen.
Wenn von vornherein klar ist, dass die Ursache des unerfüllten Kinderwunsches eine CatSper-Dysfunktion ist, kann man sich all die anderen Therapieoptionen sparen und direkt zur ICSI übergehen. Es wird also ein Spermium im Labor direkt in die Eizelle injiziert. Der Turbo wird nicht benötigt. Dem Spermium wird der Weg schlichtweg abgenommen.
So kann den betroffenen Paaren und vor allem den Frauen einiges erspart werden. 1,2[3].
Mit diesem Wissen wird übrigens an einer Verhütungsmethode geforscht. Für Männer mit funktionierendem CatSper-Kanal und ohne Kinderwunsch ist das in der Zukunft vielleicht eine Möglichkeit. 1,2
Zurück zu den Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch:
Wissenschaftler an der Universität Münster haben nun einen Labortest entwickelt, mit dem man innerhalb 30 Minuten feststellen kann, ob eine CatSper-Dysfunktion vorliegt oder nicht.
Dazu werden kleine Mengen der Samenprobe eines Mannes mit zwei verschiedenen Testlösungen gemischt. Eine der Testlösungen enthält Calcium und die andere enthält kein Calcium. Anschließend wird unter dem Mikroskop die Beweglichkeit der Spermien untersucht. Bei gesunden Spermien sollte die Beweglichkeit eingeschränkt werden, wenn kein Calcium vorhanden ist. Wenn eine Dysfunktion des CatSper-Kanals vorliegt, dann kann sowieso kein Calcium aus der Umgebung einströmen und die Calcium-Konzentration in der Umgebung hat keinen Einfluss auf die Beweglichkeit der Spermien.
Der CatSper-Kanal funktioniert also nicht, wenn die Spermien in beiden Lösungen unverändert – ohne Turbo – weiterschwimmen. Ein ziemlich unkomplizierter, aber effektiver Test!
Bei unerfülltem Kinderwunsch und wenn die Ursache für die Unfruchtbarkeit nicht bekannt ist, kann es sich also lohnen, sich bei eurem behandelnden Arzt/ Ärztin oder im Centrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie in Münster, zu diesem Test zu erkundigen.
Den Link mit den Kontaktdaten hierfür findet ihr in den Shownotes!
Bis zum nächsten Mal bei Wunderwelt Körper!
Servus und Baba
Kontaktdaten und Informationsmaterial zu der CatSper-Dysfunktion- und Test:
Quellen:
[1] 2023, Unexplained infertility is frequently caused by defective CatSper function preventing sperm from penetrating the egg coat,
Samuel Young, Christian Schiffer, Alice Wagner, Jannika Patz, Anton Potapenko, Leonie Herrmann, Ve rena Nordhoff, Tim Pock, Claudia Krallmann, Birgit Stallmeyer, Albrecht Röpke, Michelina Kierzek, Cri stina Biagioni, Tao Wang, Lars Haalck, Dirk Deuster, Jan
N Hansen, Dagmar Wachten, Benjamin Risse, Hermann
M Behre, Stefan Schlatt, Sabine Kliesch, Frank Tüttelmann, Christoph Brenker, Timo Strünker, doi: https://doi.org/10.1101/2023.03.23.23286813
[2] https://www.invitra.de/normozoospermie/#basis-spermiogramm; 18.06.2023, 14:04
[3] https://www.medizin.uni-muenster.de/fakultaet/news/forschungsgruppe-der-wwu-entwickelt- labortest-zur-frueherkennung-maennlicher-unfruchtbarkeit.html; 18.06.2023, 14:21